Die innovative Mobilitätslösung feiert am 05. März 2005 ihren 50. Geburtstag
Aufregung gab's genug 1955: Vladimir Nabokov brachte mit "Lolita" eine besondere Interpretation des Generationenkonfliktes, James Dean fuhr in den Tod und die letzten 9.626 Kriegsgefangenen kehrten aus der Sowjetunion heim. Das Leben in Deutschland normalisierte sich, den Menschen ging es langsam wirtschaftlich wieder besser. Und es drängte sie nach komfortablerer individueller Mobilität: Mit einem Dach über dem Kopf bei Wind und Wetter durch die junge Bundesrepublik oder sogar in den Urlaub fahren, davon träumte jeder.
Deshalb war all dies nichts gegen die persönliche Aufregung von 12.911 Autofahrern
über ihren neuen BMW - den ersten für den kleinen Geldbeutel. Isetta hieß
das eiförmige Motocoupé, mit Platz für Zweieinhalb und munteren 12 PS im Heck.
Die - einzige - Tür ging nach vorne auf und die Hinterräder standen nicht
einmal halb soweit auseinander wie die vorne - kein BMW vorher oder nachher
war je so unverwechselbar. Fahrer und Passagier nahmen bequem Platz, zogen
die Tür vor sich zu - und mit ihr das Lenkrad plus Armaturen. Geschaltet wurde
- überaus sportlich - links mit einem kleinen Knüppelchen, so einen Sidestick
hatte grade mal ein Formelrennwagen.
44 DM Steuer - "weniger als ein Großstadt-Dackel"
Die Isetta kam an. BMW hatte recht gehabt mit der "Ideallösung des Fahrproblems
für alle, die ein wendiges, flinkes Fahrzeug bei geringen Betriebskosten ohne
Park- und Garagenschwierigkeiten benötigen." Neben ihren technischen Qualitäten
sprach für das Motocoupé auch der günstige Verkaufspreis: 2.550 D-Mark verlangte
BMW. Ein deutscher Arbeitnehmer verdiente damals wöchentlich im Durchschnitt
90 DM. Die obligatorische Haftpflichtversicherung lag bei 95 DM, das Finanzamt
verlangte für die Knutschkugel pro Jahr 44 DM Steuer - "weniger als ein Großstadt-Dackel",
wie die Werbung versicherte.
Die Isetta begleitete die deutschen Autofahrer bis in die 60er Jahre hinein,
half mit die erste Reisewelle aufzutürmen. Tempo 85 genügte, am liebsten über
die Alpen Richtung bella Italia. Dort stammte sie schließlich auch her, ein
BMW Händler hatte sie 1954 auf dem Genfer Salon entdeckt und ihr Potenzial
erkannt. BMW erwarb die Isetta-Lizenz von der italienischen Firma Iso, verpasste
der "Knutschkugel" einen neuen Antrieb aus einem BMW Einzylinder-Motorrad,
legte ihr italienisches Gewand in andere Falten und brachte das Motocoupé
rund ein Jahr später auf den Markt.
Geschenk vom King - Elvis und die Isetta
Das Ausland ließ sich anstecken. Isetten von BMW gingen in alle Herren
Länder, sogar nach Übersee "mit Schutz vor Befall von Schimmelpilzen und Termitenfraß"
und in die USA. Elvis ließ sich mit einer fotografieren, angeblich schenkte
er sie seinem Manager. Für sich selber wählte er übrigens einen BMW 507 Sportwagen.
Berührungsängste gab es nicht, Stars und Prominente ließen sich gern mit dem
kleinsten aller BMW Automobile fotografieren, der deutsche Nachkriegsfilm
wäre ohne die Isetta um einen Augenschmaus ärmer gewesen. Nach dem Überraschungserfolg
1955 ließen sich die Verkaufszahlen auch von Unkenrufen nicht bremsen. 1956
baute BMW die Palette aus, stellte neben die Isetta mit 250 Kubikzentimeter-Motor
eine kräftigere Version mit 300 cm² Hubraum und 13 PS. Beide Varianten gab
es auch in der nobleren Export-Version mit seitlichen Klappfenstern und besserem
Fahrwerk. Auf Wunsch bot BMW darüber hinaus auch noch mehrere Sonderausrüstungen
an: Rechts- statt Linkslenkung, ein Cabrioverdeck oder eine abnehmbare Pritsche
für immerhin 200 Kilogramm Nutzlast, einschließlich verstärkter Federung.
Ende einer Ära: 1962 rollt die letzte Isetta vom Band
Neben dem Glas Goggomobil wird die "Knutschkugel" zum erfolgreichsten
Fahrzeug dieser Art in Deutschland. Im Spitzenjahr 1957 verkauft BMW fast
40.000 Isetten, dann verlangt der Markt immer mehr nach Klein- statt Kleinstwagen,
möglichst mit vier Sitzplätzen und der Statur eines "richtigen" Autos. Dem
kommt BMW mit dem 600, einer verlängerten Isetta mit Zweizylinder-Boxermotor
im Heck, entgegen. Schon 1959 wird der rundliche Viersitzer aber von einer
deutlich moderneren Konstruktion abgelöst, deren Ponton-Karosserie erstmals
in selbsttragender Bauweise entsteht: Der BMW 700. Die Isetta wird derweil
aber noch immer weitergebaut, erfreut sich vor allem auch auf den Auslandsmärkten
noch großer Wertschätzung. 1962 ist's dann genug: Die Produktion der Isetta
läuft aus, 161.728 Exemplare des Motocoupés waren gebaut worden.