Frédéric Henry-Biabaud, designierter Nachfolger von Motorsport-Direktor Pierre Dupasquier, erklärt die Wettbewerbs-orientierte Philosophie des Unternehmens.
Michelin ist praktisch in jeder Renn-Kategorie auf allerhöchstem Level vertreten: In der Formel 1, der Rallye-Weltmeisterschaft, der MotoGP-WM, Le Mans und der neuen Tourenwagen-Weltmeisterschaft siegt der Reifenspezialist an der Seite erstklassiger Werkspartner. In sämtlichen Königsklassen des Motorsports vertreten zu sein, ist aber selbst für einen Global Player und Weltmarktführer wie Michelin nicht selbstverständlich. Frédéric Henry-Biabaud, designierter Nachfolger von Motorsport-Direktor Pierre Dupasquier, erklärt die Wettbewerbs-orientierte Philosophie des Unternehmens.
Monsieur Henry-Biabaud, Michelin ist nach jüngsten
Zahlen der größte Reifenhersteller der Welt. Warum engagiert sich
ein solches Unternehmen im Motorsport ?
Frédéric Henry-Biabaud Dafür gibt es mehrere gute Gründe:
Erstens möchten wir unsere ausgezeichneten Beziehungen zu den großen
Automobil- und Motorrad-Herstellern in aller Welt pflegen, indem wir ihnen zu
Rennerfolgen verhelfen. Wir begleiten und unterstützen unsere Partner.
Bei der Rückkehr in die Formel 1 etwa hatten uns BMW und Toyota ausdrücklich
gebeten, diesen Schritt mit ihnen zu tun. Zweitens pflegen wir eine Sieger-Mentalität.
Wir wollen nicht nur mitfahren, sondern siegen - und zwar in den Hightech-Kategorien,
wo wir unsere Technologieführerschaft beweisen können. Zudem genießen
Formel 1, Rallye-WM, MotoGP, Dakar und die 24 Stunden von Le Mans weltweite
Fernsehpräsenz. Es gibt keine bessere Werbung als einen Michelin-Fahrer
auf dem Siegertreppchen.
Wie weit trägt der Rennsport zum öffentlichen
Image von Michelin bei ?
FHB Positive Markenwerte lassen sich auf verschiedene Weise erzielen - durch
eine gesunde Unternehmensstruktur, ein hohes Service-Level und natürlich
die Qualität und Zuverlässigkeit unserer Produkte. Das Bild von Michelin
ist zudem wesentlich geprägt von unserer Kompetenz in Forschung und Entwicklung
sowie unseren Investitionen in aller Welt. Ich möchte aber betonen, dass
ein solch positives Feedback, wie es der Motorsport erzeugt, auf keine andere
Weise zu erzielen wäre - nicht einmal durch groß angelegte Werbe-
oder Imagekampagnen, egal, wie effektiv sie auch sein mögen. Im Motorsport
beweisen wir viele unserer Stärken. Zuverlässigkeit, Glaubwürdigkeit
als Technologieführer, das Streben nach optimalen Produkten. Gute Ergebnisse
im Rennsport finden sehr schnell ihren Weg ins öffentliche Bewusstsein.
Sämtliche Marktstudien belegen, dass die Investitionen in Motorsport-Engagements
gut angelegtes Geld sind, weil sie das Markenimage verbessern.
Welche Philosophie steht hinter den Partnerschaften
mit Teams und Herstellern ?
FHB Es liegt auf der Hand, dass eine langfristige Zusammenarbeit mit einem Hersteller
eine Reihe von Möglichkeiten eröffnet - geschäftlich wie technologisch.
Durch den ständigen Austausch mit der Fahrzeugindustrie entdecken beide
Seiten immer wieder neue Felder und Märkte, die wir gemeinsam besetzen
können. Unsere Fähigkeit, jedes Rennwochenende wettbewerbsfähige
Reifen zu liefern, untermauert dabei unsere technologische Glaubwürdigkeit.
Dass wir im Motorsport mit den renommiertesten Herstellern der Welt zusammenarbeiten,
trägt zu unserem positiven Image im Markt bei und erlaubt uns, langfristige
geschäftliche Beziehungen zu pflegen.
Schlagen sich die Rennerfolge auch in den Verkaufszahlen
nieder, im Sinne von „Win on sunday, sell on monday“, wie die Amerikaner
sagen ?
FHB Allerdings. Im Ersatzgeschäft, also dem Reifenhandel, dient unser breitgefächertes
und erfolgreiches Motorsport-Engagement nicht nur der Motivation der Händler
- sie erhalten dadurch auch gute Argumente, ihren Kunden unsere Auto- und Motorrad-Reifen
zu empfehlen. Den größten Effekt verzeichnen wir aber - neben der
Erstausrüstung - bei den Endkunden: Dass die Händler von der Qualität
unserer Produkte so überzeugt sind, färbt auf die Kunden ab. Und wenn
diese Kunden dann ihr Auto oder Motorrad mal etwas fordern und entdecken, dass
das Fahren nicht nur praktisch ist, sondern auch viel Spaß macht, verstärkt
das ihre Sensibilität für gute Reifen und ihr Vertrauen in Michelin.
Ich gebe zu: Nicht jeder interessiert sich für Rennsport, aber unser Engagement
ist eine wichtige Facette unseres Auftretens.
Welche Investitionen erfordert ein Motorsport-Engagement
dieser Größenordnung ?
FHB In einem Wort: beträchtliche - zumindest, wenn man wie Michelin auf
dem höchsten Level antritt. Der erzielte Gegenwert rechtfertigt die Ausgaben
aber voll. Das lässt sich an unseren neuen Partnerschaften mit der Industrie
messen, ganz zu schweigen von der Zahl an Reifen, die wir in den Volumensektoren
verkaufen. Außerdem profitieren wir vom Rennsport, indem wir immer neue
technologische Innovationen ableiten, seien es Konstruktions- und Fertigungstechniken
oder neue Materialien. Das ist es, was der Markt von Michelin erwartet und was
unseren Markenkern ausmacht. Innerhalb des Unternehmens wirkt das Bekenntnis
zum Wettbewerb als Motivation und Inspiration. Keine Frage, unsere Rückkehr
in die Formel 1 hat sich in jeder Hinsicht ausgezahlt - qualitativ wie quantitativ.
Inwieweit motivieren Rennerfolge die Belegschaft
?
FHB Wenn du Erfolge einfährst und dein Motorsport-Programm klar strukturiert
ist, verfügst du über ein fantastisches Instrument für deine
interne Kommunikation. Es erfüllt unsere Mitarbeiter auf der ganzen Welt
mit Stolz auf die Marke. Sie identifizieren sich mit dem Erfolg. Die engen Partnerschaften
im Rennsport verdeutlichen unserer Belegschaft, was Kundenorientierung in einem
extrem anspruchsvollen Umfeld bedeutet. Zusätzlich stellt unser Engagement
die riesige Bedeutung von Highperformance-Reifen im Gesamtsystem Auto heraus
- ein Aspekt, der oft genug unterschlagen wird. Last but not least: Motorsport
sorgt für eine lebendige Arbeitsatmosphäre. Unsere Beschäftigten
interessieren sich immer mehr für unsere Renn- und Rallye-Aktivitäten.
Um dieses Interesse zu fördern und sie auf dem Laufenden zu halten, bauen
wir den Rennsport in unsere modernen internen Kommunikationsmedien ein, wie
etwa das Intranet.