Rallye-Märchen am anderen Ende der Welt: 20.000 Kilometer und 24 Flugstunden weit entfernt wartet am zweiten April-Wochenende der vierte Lauf zur diesjährigen Rallye-WM in Neuseeland auf die weltbesten Driftkünstler. Diese nehmen die Reisestrapazen und den vom zehnstündigen Zeitunterschied verursachten „Jet Lag“ gerne in Kauf:
Die ebenso geschwungenen wie schnellen Schotterpisten rund um die Metropole Auckland gelten als die schönsten Wertungsprüfungen überhaupt. Für Reifenhersteller Michelin - Partner der Werksteams von Ford, Citroën und Skoda - stellen die speziellen Streckenbedingungen in Neuseeland eine besondere Herausforderung dar.
Der Traum eines jeden Rallye-Fahrers ist - zumindestens in diesem Jahr - 29,76
Kilometer lang und trägt den Namen „Whaanga Coast“: Die berühmte
Wertungsprüfung der Rallye Neuseeland schlängelt sich entlang der
pitoresken Küste des Tasmanischen Meeres, bevor die Route in das immergrüne
Innenland mit seiner idyllischen Hügellandschaft und den zahllosen Schaaf-Weiden
abbiegt. Geradeaus geht es dabei nur selten. In der Regel fügt sich eine
Kurve harmonisch an die andere, so dass die Piloten mit ihren gut 300 PS starken
Turbo-Allradlern wie von selbst in einen ausgewogenen Rhythmus von Drift und
Gegendrift finden. Nirgendwo tanzen die World Rally Cars (WRC) mit einer anmutigeren
Choreographie über die insgesamt 20 Schotter-Prüfungen mit einer
Gesamtlänge von 356,0 Kilometern.
Das erwartet Michelin
Auch wenn böse Schlaglöcher oder grobe Steine in Neuseeland eher
Ausnahme-Charakter besitzen: Aus Sicht der Reifenhersteller in der Rallye-Weltmeisterschaft
haben es die stark gewölbten Naturstraßen, die im Verlauf der Veranstaltung
zumeist zweimal befahren werden, durchaus in sich. „Die Prüfungen
werden sich nicht nur zwischen dem ersten und zweiten Durchgang stark unterscheiden“,
prognostiziert Aimé Chatard, bei Michelin verantwortlich für das
Rallye-Programm. Hauptproblem: die lose Staubschicht, die die Pisten bei Trockenheit
bedeckt und die die allerersten Teilnehmer deutlich einbremsen kann. „Dadurch
kann das erste Auto auf der Strecke im Vergleich zum zehnten Starter gut 0,5
Sekunden pro Kilometer einbüßen“, erläutert Chatard.
Hinweis am Rande: Im Verlauf der ersten Etappe, also am Rallye-Freitag, starten
die Teilnehmer in der Reihenfolge der Fahrer-Tabelle, der WM-Führende
zuerst. Für Samstag und Sonntag ist das aktuelle Zwischenresultat der
vorherigen Etappe ausschlaggebend: Die ersten 15 gehen in umgekehrter Reihenfolge
auf die Piste, der Führende also als 15.
„Dies bedeutet für uns, dass insbesondere die ersten Piloten das
Profil ihrer Reifen gerne per Hand nachschneiden lassen“, so Chatard.
„Mit zusätzlichen Rillen können die Pneus den Staub um bis
zu neun Prozent wirkungsvoller aus dem Weg räumen.“ Ein Effekt,
der übrigens mit der Verbesserung der Drainage-Fähigkeit zur Vermeidung
von Aquaplaning durchaus verglichen werden kann. A propos Regen: „Auf
nassen Pisten kommt der Startreihenfolge in Neuseeland eine deutlich geringere
Bedeutung zu“, weiß Aimé Chatard. „Allerdings ist
im April auf dieser Insel nur selten mit Niederschlägen zu rechnen...“
Die Partnerteams von Michelin haben sich geschlossen für den so genannten Typ „Z“ entschieden, den der Reifenhersteller aus Clermont-Ferrand in den Varianten „normal“, „heiß & trocken“ sowie „nass“ zur Verfügung stellt. Pro Fahrzeug erlaubt das Reglement für die Rallye Neuseeland einen Vorrat von 60 Pneus, von denen jedoch im Verlaufe der Veranstaltung nur 35 eingesetzt werden dürfen - so wenig wie bei keinem zweiten diesjährigen WM-Lauf.
Auch für die Fahrer stellt die Rallye Neuseeland eine echte Herausforderung dar. „Du musst die richtige Balance zwischen vorsichtiger Fahrweise und selbstbewusstem Attackieren finden“, erläutert Skoda-Werkspilot Armin Schwarz. „Die deutlich gewölbten Fahrbahnen erlauben hohe Geschwindigkeiten, doch speziell im trockenen Zustand kann der lose Schotterbelag sehr rutschig sein. Optimal wäre es, wenn die Straßen etwas feucht wären. Dann bieten sie mehr Grip.“
Das erwarten die Partner-Teams von Michelin
Die Werks-Equipe von Ford, derzeit Zweitplatzierte in der Marken-WM, hat sich
in Neuseeland klare Ziele gesteckt: Toni Gardemeister/Jakke Honkanen sowie
Roman Kresta/Jan Mozny wollen die Führung in der Konstrukteurs-Wertung
zurück erobern und erneut in die Punkte fahren - es wäre das 48.
Mal in Folge (!), dass dies einem Focus WRC gelingen würde. Neben den
beiden Stammpiloten drehen auch der Deutsche Anthony Warmbold sowie der Argentinier
Luis Perez Comanc am Volant zweier weiterer Ford Focus RS WRC, die ebenfalls
vom Werksteam M-Sport aufgebaut und eingesetzt werden.
Die Titelverteidiger - Citroën und Starpilot Sébastien Loeb -
schmieden für den vierten Saisonlauf ebenfalls große Pläne:
Monte-Sieger Loeb, der zuvor in Mexiko trotz eines technischen Defekts einen
viel beachteten vierten Rang retten konnte, will auf den Schotterpisten rund
um Auckland zurückschlagen und seinen Fünf-Punkte-Rückstand
auf Tabellenführer Petter Solberg minimieren. An seiner Seite geht erneut
der junge Belgier François Duval an den Start, während der Österreicher
Manfred Stohl wieder den dritten werksunterstützten Xsara WRC pilotieren
wird.
Skoda will in Neuseeland die Vorteile des neu entwickelten Aerodynamik-Pakets
des Fabia WRC ausspielen. „Dieser WM-Lauf ist eine richtige Fahrer-Rallye
und sollte dem Handling unseres Autos entgegenkommen“, prognostiziert
Routinier Armin Schwarz, der zum fünften Mal bei dieser Schotter-Veranstaltung
an den Start geht. „Ich freue mich auf diese Strecken“, verrät
Schwarz' Teamkollege Janne Tuohino. „Sie sind schnell und erinnern an
die Prüfungen in meiner Heimat Finnland“, so der Neuseeland-Debütant.
„Wir haben mit dem Fabia WRC in dieser Saison bereits einige gute Vorstellungen
abgeliefert, auch wenn sich dies nicht in den Resultaten widerspiegelte“,
so Martin Mühlmeier, Chef von Skoda-Motorsport. „Wir wollen beide
Autos ins Ziel bringen und dabei die Leistungsfähigkeit des Fabia WRC
aufzeigen. Wenn uns dies gelingt, werden sich auch die Ergebnisse einstellen,
die wir verdient haben.“
Die Rallye Neuseeland 2004 aus Sicht von Michelin:
Spannnender kann Rallye-Sport kaum noch sein: Erst auf der 22. und vorletzten
Wertungsprüfung fiel die Entscheidung um den Gesamtsieg der WM-Rallye
Neuseeland. Während Peugeot- und Michelin-Pilot Marcus Grönholm
aufgrund eines Drehers auf der 16,62 Kilometer langen WP „Te Patatapu
2“ im Duell gegen den Subaru-Piloten Petter Solberg das Nachsehen hatte
und sich mit Rang zwei begnügen musste, durfte der französische
Reifenspezialist nach vier von 16 WM-Läufen zufrieden auf das erste Saisonviertel
zurückblicken: Sowohl in der Fahrer- als auch in der Konstrukteurs-Wertung
belegten Michelin-Partner jeweils die ersten drei Plätze.
Statistisches
Rallye Neuseeland, 4. Lauf zur Rallye-WM 2004 (8. - 10.4.2004); Gesamtlänge:
1.128,48 Kilometer, davon 20 Wertungsprüfungen über 356,0 Kilometer;
Start: Paparoa, Ziel: Auckland; längste Prüfung: WP 11 und 14 Bull
(je 31,73 km); kürzeste Prüfung WP 15 und 16 Manukau (je 2,10 km);
größte WP-Distanz zwischen zwei Servicepunkten: 72,05 km (WP 1
bis 4).
Text & Fotos: Michelin