• Zwei Wahlschweizer im Cockpit, Nick Heidfeld & Jacques Villeneuve
• Revolution statt Evolution heißt es motorenseitig in der Formel 1
• Erste Fotos des Teams und es F1-Boliden aus Valencia
Neustart.
Das BMW Sauber F1 Team stellt sich in Valencia vor. München/Valencia, 17. Januar
2006. Das BMW Sauber F1 Team betritt die Formel- 1-Bühne: Am heutigen Dienstagmorgen
um kurz nach neun urde der BMW Sauber F1.06 im spanischen Valencia vor über
500 Journalisten und Gästen im futuristischen Ciudad de las Artes y las Ciencias
(CAC) enthüllt. Um 13.00 Uhr wird das erste Fahrzeug des BMW Sauber F1 Teams
auf dem Circuito de la Comunitat Valenciana Ricardo Tormo debütieren. Startklar
für die Premierensaison des neuen Teams in der FIA Formel-1- Weltmeisterschaft
2006 sind auch die BMW Sauber F1 Team Piloten Nick Heidfeld (28, Deutschland),
Jacques Villeneuve (34, Kanada) sowie Neuling Robert Kubica (21, Polen), der
die Rolle als Test- und Reservefahrer einnimmt.
Ein Team stellt sich vor
Am Vorabend der offiziellen Medien-Präsentation war bereits
der neue Look des Teams zu sehen: anlässlich einer großen Merchandising-Modenschau
mit dem brasilianischen Top-Model Alessandra Ambrosio und anschließender
Party im CAC. Bis einschließlich des 19. Januar werden die Testfahrten
auf dem bis dahin exklusiv dem BMW Sauber F1 Team zur Verfügung stehenden
Kurs von Valencia fortgesetzt. Vom 23. bis zum 26. Januar trifft die Mannschaft
beim Barcelona-Test auf Konkurrenz.
Erstmals in Eigenregie
Der 22. Juni 2005 war gerade angebrochen, als fest stand: BMW startet 2006 erstmals
in Eigenregie in der Formel 1. Am 16. September wurde ein Dreijahresvertrag
mit Nick Heidfeld bekannt gegeben, am 14. November der Teamname, am 1. Dezember
wurde Jacques Villeneuve bestätigt, am 20. Dezember stand Robert Kubica als
Testpilot fest. Parallel liefen ab dem 28. November die ersten Testfahrten mit
einem Sauber- Interims-Chassis und dem BMW P86 Motor. Seit dem 1. Januar 2006
besitzt BMW die Mehrheitsanteile an der Schweizer Sauber Holding AG. Prof. Dr.-Ing.
Mario Theissen leitet in seiner Funktion als BMW Motorsport Direktor auch das
BMW Sauber F1 Team. Er sagte in Valencia: " Wir haben in den zurückliegenden
sieben Monaten hart gearbeitet. Wir haben die Integration der beiden Standorte
vorangetrieben, ein Interimsauto auf die Räder gestellt, die Fahrer verpflichtet,
Verträge mit den großen Partnern Petronas, Intel, Credit Suisse und O2 sowie
weiteren Sponsoren realisiert und rund 90 Arbeitsverträge mit neuen Mitarbeitern
geschlossen.
Diese Zwischenbilanz kann sich sehen lassen. Dennoch: Wir geben uns keinen Illusionen
hin. Vor uns liegt noch ein weiter Weg. 2006 ist ein Übergangsjahr, deshalb
wäre es verfrüht, sportliche Ziele zu formulieren. Wichtig ist, dass die Tendenz
stimmt." Erfolge sind laut Theissen nur mit einem voll integrierten Team und
mit durchgängigen Prozessen zu erreichen: "In unserer ersten Saison werden wir
vor allem Erfahrung sammeln. 2005 hat Sauber den achten Platz in der Konstrukteurs-
WM belegt. Das ist unsere Ausgangsposition. Von dort aus wollen wir uns so schnell
wie möglich nach vorn arbeiten. Das geht natürlich nicht über Nacht. Dafür sind
Geduld und Stehvermögen erforderlich. Beides haben wir." Theissen weiter: "Die
Formel 1 wirkt für die BMW Group als High-Tech-Labor und Technologiebeschleuniger.
Mit ihrer Dynamik, ihrem Premium-Image, ihren sportlichen Herausforderungen
und dem Bedarf an technischen Innovationen passt die Formel 1 perfekt zu den
Markenwerten von BMW " inklusive der Freude am Fahren. Und es gibt kein anderes
Sportereignis, das regelmäßig und weltweit so hohe Aufmerksamkeit generiert."
Das Aus- und Aufbau-Konzept umfasst die Aufstockung des Personals in Hinwil
um über 100 neue Mitarbeiter, von denen ein großer Teil die Aerodynamik-Abteilung
verstärken wird. Theissen: "Der Windkanal ist hervorragend, wir wollen
ihn schnellstmöglich im Mehrschichtbetrieb nutzen." Für den Erweiterungsplan
mit neuen Büros", Entwicklungs- und Produktionseinrichtungen wird die Baugenehmigung
im Frühjahr 2006 erwartet. Parallel werden die Vernetzung der Standorte München
(Antrieb und Elektronik) und Hinwil (Chassis und Einsätze) und ein intensives
Entwicklungsprogramm für 2007 vorangetrieben. Ende 2007 werden alle Maßnahmen
komplett umgesetzt sein. Peter Sauber hat sich nach 13 Jahren als Formel-1-Teamchef
aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. Er zeigte sich in Valencia erstmals
in seiner neuen Rolle als Berater des Teams.
Zwei Wahlschweizer im Cockpit
Sie kennen sich schon lange, sie fuhren beide schon für Sauber, sie leben beide
in der Schweiz " aber sie waren noch niemals Teamkollegen: die Piloten Nick
Heidfeld und Jacques Villeneuve. Sie vereinen die Erfahrung aus 250 Grands Prix
auf sich. Heidfeld debütierte zum Saisonauftakt 2000 in der Formel 1. Von 2001
bis einschließlich 2003 fuhr er für den Schweizer Rennstall. Zwei zweite Plätze,
die er für das BMW WilliamsF1 Team in der Saison 2005 erzielte, sind seine bisher
besten Ergebnisse. Ein Mal, ebenfalls 2005, eroberte er die Poleposition. 98
Starts stehen für den Mönchengladbacher, der seit Juli 2005 Vater einer Tochter
ist, zu Buche. "Ich freue mich sehr auf die neue Saison und das neue Team, dessen
Mitglieder ich ja schon größtenteils aus früheren Jahren kenne", sagt Heidfeld,
"außerdem bin ich mit dem Auto in einer Viertelstunde in Hinwil, das ist auch
positiv. Natürlich ist man als Rennfahrer eher ungeduldig, was den Erfolg angeht.
Aber wir sollten realistisch bleiben. Für mich ist das Wichtigste, dass wir
gut arbeiten und uns kontinuierlich steigern."
Jacques Villeneuve
Kein anderer Fahrer ist bisher in der Formel 1 so schnell Weltmeister geworden wie Jacques Villeneuve: 1996, in seinem Debütjahr, belegte der Kanadier bereits den zweiten WM-Platz hinter seinem damaligen Williams-Renault-Teamkollegen Damon Hill. 1997 gewann er mit Williams-Renault den Titel im Kampf mit Michael Schumacher. In 152 Grands Prix hat er elf Siege errungen, 13 Mal startete er von der Poleposition. Nach fünf Jahren für das BAR-Team schien seine F1-Karriere 2003 beendet. Doch dann erhielt er bei Renault die Chance, die letzten drei Saisonrennen 2004 zu bestreiten. Zur Saison 2005 wurde der Sohn des berühmten Ferrari-Piloten Gilles Villeneuve bei Sauber unter Vertrag genommen. "Der Aufbau eines neuen Teams ist eine sehr komplexe Aufgabe", sagt Villeneuve mit Blick auf 2006, "das habe ich in der Vergangenheit schon erlebt. Aber ich denke, hier treffen gute Voraussetzungen aufeinander. Ich will mein Bestes geben, um zum Erfolg des BMW Sauber F1 Teams beizutragen."
Nick Heidfeld
Youngs Youngster an Bord
ter In Robert Kubica aus Krakau hat BMW ein viel versprechendes Nachwuchstalent
als Test- und Ersatzfahrer verpflichtet. Er wird auch den in den freien Trainings
am Freitag eingesetzten dritten BMW Sauber F1.06 steuern. Kubica empfahl sich
2005 mit dem souveränen Titelgewinn in der Formelklasse "World Series by
Renault". Theissen: "Er hat sich seine Erfolge ohne große Unterstützung
hart erarbeitet, das verdient Respekt." Hochachtung erntete Kubica auch
2003: Damals debütierte er in der Formel-3-Euroserie und gewann prompt sein
erstes Rennen in dieser Klasse, ausgetragen auf dem Norisring in Nürnberg.
Neuer Motor
Revolution statt Evolution heißt es motorenseitig in der Formel 1 für
die neue Saison. 2,4-Liter-V8-Motoren lösen die Dreiliter-V10-Triebwerke
ab. Der Wechsel erfordert vollständig neue Konzepte. Die neuen V8-Motoren
sind schwerer, kürzer, haben durch 600 ccm weniger Hubraum entsprechend
weniger Leistung und einen geringeren Verbrauch. "Die Rundenzeiten", schätzt
Theissen, "werden um ca. zwei bis drei Sekunden steigen, was für den Zuschauer
allerdings kaum wahrnehmbar sein wird. Die Fahrer hingegen müssen A"b"´"ihren
Fahrstil anpassen. Vereinfacht ausgedrückt: Sie müssen runder fahren,
um die verfügbare Leistung bestmöglich auszunutzen."
Die gegenüber dem V10 anderen Zündfolgen und anderen Zündabstände führen zu einem völlig veränderten Schwingungsverhalten. Der V10 fuhr auf seinem bis über 19.000 U/min reichenden Drehzahlband zwischen 12.000 U/min und 14.000 U/min in einem kritischen Schwingungsbereich. Mit weiter steigender Drehzahl beruhigte sich die Situation allerdings wieder, im problematischen Bereich hielt man sich nicht lange auf. Die längste Verweildauer liegt naturgemäß in den Spitzendrehzahlen. Und eben da wird es beim V8 problematisch: Seine Vibrationskurve erreicht den kritischen Bereich später als der V10. Er beginnt ab ca. 16.000 U/min und hat dann steigende Tendenz, was Einfluss auf die Standfestigkeit von Fahrzeugteilen haben kann. Und auch der BMW P86 V8-Motor muss wie sein um zwei Zylinder reicherer Vorgänger zwei Grand-Prix-Wochenenden überstehen.
Neues Chassis
Der BMW Sauber F1.06 ist ein von Grund auf neu konzipiertes Auto. Die kürzeren
und sparsameren V8-Triebwerke beeinflussen die Architektur des Fahrzeugs maßgeblich.
Aufgrund der von der FIA vorgegebenen Mindestmaße für den Bau der Chassis bleiben
die Gesamtabmessungen des Autos fast unverändert. "Für die Designer bedeutet
dies, dass sie aufgrund des kompakteren Motors mehr Spielraum bei der Konzeption
des Fahrzeuges haben", erklärt Willy Rampf, Technischer Direktor Chassis
im BMW Sauber F1 Team. Das kleinere Tankvolumen des BMW Sauber F1.06 hatte sowohl
Einfluss auf das Design des Monocoques als auch auf die Position des Motors.
Das kürzere Triebwerk erlaubte es den Ingenieuren zudem, das Titan-Gehäuse des
Siebengang-Getriebes zu verlängern, was den Bau einer besonders schlanken Heckpartie
begünstigt. Im Fokus der Ingenieure war vor allem die Aerodynamik, und dabei
ging es nicA"b"´"ht nur um optimalen Abtrieb, sondern auch um
eine hohe Effizienz. Die Konstruktion, Anordnung und Gestaltung sämtlicher Nebenaggregate
und Komponenten wurde dieser Prämisse untergeordnet.
BMW Sauber F1.06
Einen markanten Eingriff erfuhr die Frontpartie des neuen
Autos. Das Chassis wurde im vorderen Bereich deutlich abgesenkt, so dass die
unteren Querlenker nicht mehr an einem Punkt unterhalb des Monocoques, sondern
direkt seitlich am Chassis angelenkt sind. Weiter hinunter gezogen ist auch
die Frontnase, deren Unterseite leicht nach oben geschwungen ist. Der Frontflügel
wurde den veränderten Gegebenheiten durch eine Vielzahl von Optimierungsschritten
angepasst. Ziel all dieser Maßnahmen ist es, die Anströmung des Unterbodens
und der Seitenkästen zu verbessern. Der geringere Kühlbedarf des V8-Motors erlaubt
nicht nur die Verwendung kompakterer Kühler, sondern auch kleinere Öffnungen
in den Seitenkästen, was ebenso der Aerodynamik zugute kommt. Gleiches gilt
für den Überrollbügel mit integriertem Lufteinlass, der aufgrund des geringeren
Luftdurchsatzes des Motors verkleinert wurde. Aufwändige Finite-Elemente-Berechnungen
machten es zudem möglich, den Überrollbügel deutlich zu erleichtern " dies
bei gleichzeitiger Einhaltung der stringenten Sicherheitsvorschriften.
Völlig neu am BMW Sauber F1.06 ist das Design der vorderen und hinteren Radaufhängungen.
An der Vorderachse wird das Layout maßgeblich durch die höheren Befestigungspunkte
der unteren Querlenker geprägt " ein Diktat der konsequenten Aerodynamik.
Bei der Hinterachse handelt es sich ebenfalls um eine Neukonstruktion. Im Zentrum
der Überlegungen stand hier allerdings eine veränderte Kinematik, um den Anforderungen
der Michelin-Reifen gerecht zu werden. Durch das Absenken der Chassis-Frontpartie
ergibt sich zudem eine entsprechend niedrigere Montageposition für die Pedalerie
sowie die inneren Bauteile der Vorderachse und auch eine tiefere Lage für die
A"b"´"Beine des Fahrers. Alle diese Faktoren tragen zu einer
Absenkung des Fahrzeugschwerpunktes bei.
Text: Dirk Hartung/BMW Fotos: Thorsten Spiess/Autosport.at