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Vorhang auf für den nächsten Akt in der hektischsten Phase der Formel 1-Weltmeisterschaft 2005: Beim Großen Preis von Großbritannien am kommenden Wochenende absolvieren die Teams das vierte Rennen in fünf Wochen, und schon 14 Tage später steht der nächste „Doppelpack“ im Sieben-Tage-Rhythmus an.

Trotz der aufreibenden Gegenwart besinnt sich die Formel 1 auf der dienstältesten Grand Prix-Strecke - auf der 1950 das erste WM-Rennen ausgetragen wurde - auch gerne auf ihre Vergangenheit. Für Michelin stehen beim Blick zurück fünf Silverstone-Siege in den ersten acht Jahren ihrer Formel 1-Präsenz zu Buche. Der Blick nach vorn ist fest auf den zehnten Sieg im elften Saisonlauf gerichtet.

Auf dem ehemaligen Militärflugplatz in Northamptonshire feiert nicht nur die Formel 1 ihr Jubiläum, sondern auch eine ihrer wichtigsten technischen Innovationen: 1977 brachte Michelin als Partner der Turbo-Pioniere von Renault die Radialreifen-Technologie in die Königsklasse. Im Jahr darauf folgte mit dem ersten Sieg der Durchbruch des Radial-Slicks - der bis heute im Rennsport so konkurrenzlos ist wie im Straßenbetrieb.

Silverstone ist durch verschiedene Umbauten nicht mehr der kompromisslose Hochgeschwindigkeits-Kurs von einst. Mit Durchschnittsgeschwindigkeiten von 235 km/h zählt die Strecke aber noch immer zu den schnellsten in der Formel 1. Der Grand Prix Circuit weist mehrere lang gezogene Highspeed-Kurven auf, die den Reifen hohe seitliche Lasten auferlegen. Charakteristisch sind die mehrfach pro Runde auftretenden sehr schnellen Richtungswechsel. Die Oberfläche ist relativ grobporig, was den Verschleiß der Laufflächen fördert.

Von den Passagen, in denen das Chassis stark gefordert wird, ist „Becketts“ wohl die markanteste. „Die Michelin-Reifen weisen eine gute Stabilität auf“, erklärt Red Bull-Pilot David Coulthard, der die Strecke so gut wie kaum ein anderer aktiver Formel 1-Fahrer kennt. „Das ist dort extrem wichtig, weil mehrere Richtungswechsel aufeinander folgen. Nur wenn du die präzise fahren kannst, nimmst du auch genug Geschwindigkeit auf die anschließende Hangar Straight mit.“

Ein unbekannter Faktor auf der Insel bleibt stets das Wetter - es könnte durchaus sein, dass es zumindest in einer Session nass ist und die Regenreifen zum Einsatz kommen. Die Erfahrung spricht außerdem dafür, dass die Temperaturen selbst bei trockener Witterung eher niedriger liegen werden als zuletzt in Magny-Cours.

Durch die relativ lange Boxengasse dürfte jeder Tankstopp mehr als 30 Sekunden kosten. Dennoch kommen sowohl Zwei- als auch Dreistopp-Strategien in Betracht. Eine schwere Spritladung fällt wegen der Richtungswechsel bei hoher Geschwindigkeit buchstäblich mehr ins Gewicht als auf anderen Strecken. Pro zehn Kilogramm Kraftstoff kalkulieren die Teams mit einem Zeitverlust um 0,4 Sekunden pro Runde.


Der Große Preis von Großbritannien aus der Sicht von Michelin
„Im Gegensatz zu Magny-Cours führen wir in Silverstone das Jahr über immer wieder Testfahrten durch. Unsere Ingenieure kennen die Strecke also sehr gut“, sagt Pierre Dupasquier, der Motorsport-Direktor von Michelin. „Für Reifentests eignet sich der Kurs auch deswegen, weil ihn sein Layout in Verbindung mit der verschleißintensiven Oberfläche zu einer der härtesten Reifen-Prüfungen des Jahres macht.“

Die Reifentypen, die Michelin nach Mittelengland mitbringt, werden tendenziell härter sein als zuletzt in Frankreich. „Durch steifere Konstruktionen sind sie den schnellen Biegungen und Hochgeschwindigkeits-Kurven besser gewachsen“, erklärt Dupasquier. „Es kommt im Lauf einer Saison nicht oft vor, dass die Handling-Vorteile eines steiferen Reifens die Traktions-Vorteile einer weicheren Konstruktion überwiegen - aber hier ist dies eindeutig der Fall.“

Dass die Partnerteams in England erneut auf unterschiedliche Strategien setzen könnten, bereitet dem Michelin-Rennleiter kein Kopfzerbrechen: „Ob zwei oder drei Boxenstopps, lange oder kurze Stints, leichtes oder schweres Auto - in Frankreich haben unsere Pneus bei allen Teams sehr gut funktioniert.“


Das erwarten die Michelin-Partner
Das Renault F1-Team und Frankreich-Dominator Fernando Alonso lassen sich vom glanzvollen Triumph in Magny-Cours nicht blenden und üben sich im Tiefstapeln: „Dieser Sieg ändert nichts an der Lage in der WM“, betont der WM-Führende aus Spanien. „In Silverstone hatten wir oft Mühe, konkurrenzfähig zu sein - und wir wissen, dass unsere Gegner dort sehr schnell sein werden.“

Das sieht McLaren-Mercedes ähnlich - und entsprechend wenig britische Zurückhaltung ist in den Ansagen für Silverstone zu entdecken: „Dort will ich das schaffen, was Alonso in Frankreich gelang: Vor den Fans des eigenen Teams gewinnen“, redet Kimi Räikkönen Klartext. Mercedes-Sportchef Norbert Haug betont, dass auch Juan Pablo Montoya jederzeit Podiums-Chancen hat: „Er hätte in Magny-Cours sicher neben Kimi auf dem Podest gestanden. Wir freuen uns auf Silverstone, wo wir eine gute Siegchance haben.“

Toyota F1 - in Frankreich mit beiden Autos in den Punkten - ist wegen der Zuverlässigkeit des TF105 auch für Silverstone zuversichtlich. „Nächstes Wochenende gibt es zwar keine technischen Neuheiten“, erklärt Ralf Schumacher, „aber ich glaube, dass wir für den England-Grand Prix noch besser gewappnet sind als für Magny-Cours."

BMW WilliamsF1 will auf dem Traditionskurs - wo das Team 1979 den ersten seiner 113 Grand Prix-Siege feierte - unbedingt eine gute Figur machen. „Das in Magny-Cours erstmals eingesetzte Aerodynamikpaket des FW27 sollte in Silverstone Früchte tragen“, hofft BMW Motorsport Direktor Dr. Mario Theissen. WilliamsF1 Technikchef Sam Michael ergänzt: „Wir haben nie zuvor während einer Saison ein solch intensives Weiterentwicklungsprogramm absolviert wie 2005.“

Das Privatteam Red Bull Racing spürte in Frankreich, dass die Luft dünner wird. „Aber in Silverstone haben wir schon einige Tests gefahren“, erinnert Christian Klien. Sportdirektor Christian Horner geht davon aus, dass kleinere Technikprobleme bis zum nächsten Grand Prix behoben sein werden und glaubt an eine absolut konkurrenzfähige Darbietung zumindest im Rennen.

Sauber-Petronas trumpfte in Magny-Cours unerwartet gut auf. „Silverstone wird aber etwas schwieriger, weil wir dort in diesem Jahr noch nicht getestet haben“, warnt Jacques Villeneuve vor Übermut. „Aber die Lage im Team wird jede Woche besser, also bin ich auch dieses Mal zuversichtlich.“

BAR-Honda will schnellstens weitere zählbare Ergebnisse verzeichnen, um sich in der Hersteller-Wertung dorthin vorzuarbeiten, wohin das Team nicht nur nach eigener Auffassung gehört. An einen Sieg glaubt BAR-Mann Jenson Button beim Heimspiel nicht: „Aber ein Podestplatz ist möglich. Ich möchte an der Spitze mitkämpfen.“


Rückblick: So lief der Große Preis von Großbritannien 2004
Der Vorjahres-Grand Prix in Silverstone belegte vor allem eins: Die unglücklich in die Saison gestarteten Silberpfeile hatten sich - auch dank einer aufwändig überarbeiteten B-Version des MP 4-19 - an die Spitze zurückgekämpft. Nach einer beeindruckenden Vorstellung feierte McLaren-Mercedes-Pilot Kimi Räikkönen seinen zweiten Rang beim Großen Preis von England fast wie einen Sieg. Der 24-jährige Michelin-Partner aus Finnland, der bereits im Qualifying mit der dritten Pole Position seiner Karriere aufhorchen ließ, konnte sich unmittelbar nach dem Start an die Spitze setzen. Nach der ersten Boxenstopp-Runde jedoch übernahm Michael Schumacher die Führung, da er auf eine andere Strategie gesetzt hatte. Eine Safety-Car-Phase kurz vor Rennende spitzte den Kampf um den Sieg zwischen dem Ferrari-Piloten und Räikkönen noch einmal zu - am Ende jedoch eilte der Titelverteidiger seinem zehnten Saisonerfolg entgegen.
Kommentare
David Coulthard (Red Bull Racing):
„Gutes Set-up auch für Performance der Reifen entscheidend“
„Auf dem recht rauen Belag in Silverstone müssen wir den Reifenverschleiß im Auge behalten. Als Fahrer kann ich viel dazu beitragen ihn in Grenzen zu halten, indem ich bei der Abstimmung des Chassis auf gute Balance und Konstanz achte.“

Ralf Schumacher (Toyota Panasonic Racing):
„Keine außergewöhnliche Herausforderung für die Reifen“
„Silverstone ist ein schneller und anspruchsvoller Kurs. Leider aber ist Überholen sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Das Layout sollte für Michelin keine außergewöhnliche Herausforderung darstellen: Die Anzahl der Links- und Rechtskurven ist in etwa gleich. Der Asphalt bietet ein gutes Grip-Niveau. Bei der Reifenmischung werden wir zwischen Medium und Hart wählen können."


Statistisches
Großer Preis von Großbritannien, Silverstone Grand Prix Circuit, Silverstone (GB),
11. von 19 Läufen zur FIA-Formel 1-Weltmeisterschaft 2005 (10. Juli 2005);
Renndistanz: 60 Runden à 5,141 km = 308,355 km.

Alle Informationen zum GP von Großbritanien: Übersicht - Strecke - Ergebnisse



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