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faszinieren. Das galt zum Beginn der automobilen Fortbewegung ebenso wie heute. Warum das so ist, und ob automobile Pferdestärken eine besondere Anziehungskraft gerade auf die männliche Hälfte der Bevölkerung ausüben, versuchte der Verband der Motorjournalisten (VdM) in einem Pressegespräch zu klären. Im Rahmen der Essen Motor Show unter einem passenden Titel: "PS-Faszination und Männlichkeit."
An Assoziationen mangelt es nicht: Vor dem geistigen Auge erscheint der Pirelli-Kalender mit halbnackten Schönheiten, dürftig bekleidete Modells rekeln sich auf blank polierten Motorhauben, PS-strotzende Tuning-Boliden glänzen in der Sonne. Doch das ist viel zu kurz gegriffen, denn das Auto ist tatsächlich viel mehr als nur ein Transportmittel von A nach B. Es ist für viele Ausdruck eines Lebensstils und es hat die Welt mehr verändert als je ein Prophet - meint nicht nur der österreichische Nationalökonom Peter Schumpeter.

Denn das Auto war von Anfang an kein Transportvehikel sondern vielmehr ein Sportwagen. Kaum konnten die Kisten fahren, trieben die Menschen auch Sport damit und fuhren um die Wette. Solch kompetitives Verhalten liegt in der Natur des Menschen, und genau deshalb erfreuen sich Autorennen oder eben auch die Essen Motor Show mit PS-starken Sportwagen so großer Beliebtheit. Das Automobil hat seinen Ursprung in dem Wunsch nach Herrschaft über Zeit und Raum, nach Freiheit und Unabhängigkeit. Die Faszination lag nicht in der komfortablen Beförderung von Gütern oder Personen, es war vielmehr der Rausch der Geschwindigkeit, der dem Automobil zum Erfolg verhalf. Nicht ohne Grund genießen daher auch heute noch die Legenden des Rennsports, Ferrari, Alfa Romeo, Bugatti oder auch Mercedes so ein sagenumwobenes Image. Keine Marketingkampagne der Welt kann solch ein Image erzeugen wie der Erfolg im Motorsport.

Das Auto war und ist ein sozialdarwinistisches Medium: Nur der Schnelle, im technisch wie optisch aufgestylten Fahrzeug genießt Anerkennung. Damit wird der Fahrzeugschein zur sozialen Visitenkarte und der bestandene Führerschein gleicht einem Initiationsritus, der bei Naturvölkern dem Erlegen eines Löwen oder Elefanten entspricht.

Jedes Auto jenseits der Stange der Massenproduktion ist ein Sinnträger, eine Metapher für Abenteuer, Erlebnis oder Prestige. Dass die vielen PS auf unseren vollen Autobahnen gar nicht mehr ausgereizt werden können, interessiert nur sekundär. Der Mensch - vor allem der männliche Mensch - will sich aus der Masse herausheben und deshalb wenigstens in der Freizeit seinen eigenen Weg fahren. Das mag nicht zuletzt in seiner Rolle als steinzeitlicher Jäger begründet sein, denn nur dort konnte der Schnelle dem Raubtier entfliehen oder die Gazelle überwältigen und zum Abendbrot mit Heim bringen. Evolutionsgeschichtlich liegt diese Zeit noch gar nicht so weit zurück und in Ermangelung von urwaldlichen Jagdgebieten zieht es den Homo mobilis heute auf die Autobahn als Revier. Glücklicherweise verhindern Gesetze und Polizei dort das triebhafte Ausleben der Naturinstinkte, einen "Verfall der Sitten" auf deutschen Straßen meinte zwar schon eine Uniroyal Studie aus dem Jahr 2000 feststellen zu können, den schlüssigen Beweis dafür blieb sie aber schuldig. Die Essen Motor Show ist ein Beweis dafür, dass das Auto wieder dort angekommen ist, wofür es ursprünglich erfunden wurde: Es vermittelt Lebenssinn, ist Identifikationsobjekt und Selbstdarstellung.

Insofern ist die Vermarktung von Automobilen zum Zwecke des Transports auch zum Scheitern verurteilt. Es geht vielmehr darum ein Lebensgefühl, einen "Lifestyle" zu transportieren. Bestes Beispiel ist die Marke Smart. Ein Smart ist kein Transportmittel. Ein Smart vermittelt eine Lebenseinstellung. Erst als Mercedes dies erkannte und auch transportierte, da zog der Verkauf der kleinen Zweisitzer an. BMW hat diesen Fehler mit dem Mini nicht gemacht und konsequent die solventen Jungdynamiker unter den Autofahrern angesprochen. Dass Autofahren mehr ist, beweist auch der sprunghafte Anstieg der Verkaufszahlen in den Nischensegmenten. Denn es sind ja nicht nur Landwirte oder Jäger die mit einem SUV unterwegs sind. Es geht nicht um die Nutzfunktion, sondern um den Spaß, den sie machen können. Neu-deutsch: das Fun-Potenzial und das Kokettieren mit Möglichkeiten: "Wenn wir nur wollten... Wir haben die Voraussetzungen, und die technische Basis, die fahren wir ja schon."

Die Referenten beim VdM sind sich einig: Der Soziologe Micha Hilgers sieht im Auto die "Vervielfältigung der Körperkraft und die Vermittlung von Grenzerfahrungen, Kicks und Rauschzuständen." Dem kann auch nur Verkehrspsychologe Dr. Dirk-Antonio Harms zustimmen: "Besonders junge männliche Fahranfänger sind es, die eine hohe Affinität zum schnell fahren besitzen." Die Schattenseite: "Hier spielt Imponiergehabe eine wesentliche Rolle bei der Unfallhäufigkeit." Daher steht auch bei der Essen Motor Show der Aspekt des sicheren Tunings im Vordergrund. Nur mit Teilen, die auch eine TÜV-Freigabe besitzen, sollen die Auto-Enthusiasten ihre Boliden verschönern, denn sonst wird es gefährlich. (ar/mj/RPB)

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