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Lotus hatte Erfindungen in die Formel 1 eingebracht, die revolutionär waren. Trotzdem verschwand der Rennstall nach langer Talfahrt vor zehn Jahren von der Bildfläche.
Lotus startete bei 491 Grand Prix, 79 wurden gewonnen, 107 mal stand ein Lotus auf Pole, 71 mal drehte ein Lotus-Pilot die schnellste Runde, sieben Weltmeister fuhren Lotus: Jim Clark (1963, 65), Graham Hill (1968), Jochen Rindt (1970), Emerson Fittipaldi (1972) und Mario Andretti (1978). Colin Chapman hatte sich mit seinen Aufsehen erregenden Lotus-Sportwagen einen Namen gemacht, aber für die Formel 1 war seine Firma noch nicht reif. Erst 1960 konnte ein Lotus unter Stirling Moss der Firma Cooper, die Chapman hämisch als «Hufschmiede» bezeichnete, zwei Grand Prix wegschnappen-Monaco und USA. Der Lotus 18, das war Filigrantechnik, Heckmotor plus Leichtbau extrem. In Spa brach Moss bei 230 km/h das linke Hinterrad weg...
Keine Einzelperson hat das Wettrüsten der Formel 1 mit so vielen genialen Einfällen befruchtet wie der Gründer der Firma Lotus, Colin Chapman. Auch wenn er seine Visionen durch andere Techniker verwirklichen liess. Aber dank seiner Durchschlagskraft und seines riskanten Management-Stils entstanden bei Lotus für die Formel 1 der Schalenrahmen, genannt Monocoque, als die Gegner noch Rohrrahmen-Autos einsetzten, entstanden Turbinen-Autos, wurde mit Allradantrieb experimentiert, man setzte auf Keilform, und entwickelte mit dem Lotus 72 einen derart fortschrittlichen Formel 1 Wagen, dass dieses Konzept von 1970 an insgesamt vier Jahre lang siegfähig war.
Die Erfindung des Ground effects, die Lotus im Typ 78 der Saison 1978 völlig unbemerkt ins Wettrüsten brachte, war so revolutionär wie die Glühlampe des Thomas Alfa Edison.
Es dauerte eine Weile, bis die Konkurrenz dieses Konzept mit verkehrt angeordneten, seitlichen Flügelprofilen durchschaute, die unterm Auto eine Saugnapfwirkung erzeugten. Und selbst die Reporter, die sich damals noch frei in den Boxen bewegen konnten, bekamen diese Errungenschaft nicht spitz.

Lotus erfand die aktive Radaufhängung und der Leichtbau, den Chapman forderte und zuliess, war die technische Religion.
In dem grossartigen Jim Clark fand Chapman seine «Labor-Maus» um seine extremen Techniken auszutesten.
Chapman war ein Extremist, der mit fünf Leuten in einen Aufzug einstieg, der nur für drei zugelassen war. Der Preis, den Lotus für seine Reissbrett-Hasardspiele zahlte, war hoch, Piloten wie Alan Stacey, Ricardo Rodriguez, Jim Clark, Mike Spence, Jochen Rindt und Ronnie Peterson verloren im Lotus-Cockpit ihr Leben, Stirling Moss hatte 1962 in Goodwood in einem Lotus 18/21 jenen schweren Crash, der seine Karriere beendete.

Als Chapman im Dezember 1982 zu Hause an Herzversagen starb, hiess es später, er wäre gar nicht tot. Er würde unter einem anderen Namen mit künstlich veränderten Gesicht weiterleben. Jene, die damals dieses Gerücht in die Welt setzten, wussten bereits, was erst sieben Jahre später Rechtsanwälte und Gerichte beschäftigen sollte. Es betraf einen Coup, der rund um die Errichtung der DeLorean Sportwagenfabrik in Belfast gedreht wurde.

Von 80 Millionen Pfund, die die britische Regierung für den Bau des Werkes auf irischem Notstandsgebiet genehmigte, sollen 17,6 Millionen von DeLorean und Chapman auf Privatkonten in die Schweiz verschoben worden sein. DeLorean, einst freiwillig als GM-Vizepräsident ausgeschieden, musste das Sportwagenwerk 1982 einsargen. In den USA war er in eine aufsehenerregende Rauschgift-Affaire verwickelt. Die verschobenen 17,6 Millionen Pfund setzten sich aus 5 Millionen Regierungsgeldern und 12,6 Millionen von privaten Investoren zusammen.

Sagte der damalige Lotus-Team-Manager Peter Warr «diese Affaire betrifft uns nicht», so kam Lotus nach diesen Enthüllungen, bei denen die britische «Sunday Times» federführend war, doch in ein sehr schiefes Licht.
Fred Bushell, Chapmans Weggefährte in Finanzfragen, einst Präsident im Lotus-Autowerk, dann Vorstandsdirektor im Rennstall, musste im Juli 1989 in Untersuchungshaft. Ihm wurde Beihilfe in der Chapman-DeLorean Betrugsaffaire vorgeworfen. Im Juni 1992 wurde er dann zu drei Jahren Haft und der Zahlung von 2,25 Millionen Pfund verurteilt. Wäre Chapman noch am Leben gewesen, so vermerkte der Richter, hätte er mindestens zehn Jahre Gefängnis bekommen.

Zurück in den Juli 1989: die Familie Chapman entband Fred Bushell von allen Ämtern, gleichzeitig trennte man sich von Team-Manager Peter Warr.
Warr hatte mit brillanten Strategien nach Chapmans Tod versucht das schon legendär gewordene Lotus-Team weiterzuführen. Er hatte den französischen Designer Gerard Ducarouge an Land gezogen, er liess Nigel Mansell, mit dem er nicht klar kam, wegen Ayrton Senna ziehen. Lotus wurde zum Pionier der computergesteuerten Radaufhängung, die aber so komplex war, dass nicht einmal Senna daraus einen grossen Nutzen ziehen konnte.
Die Nutzen-Kosten Rechnung wurde rot und röter.
Lotus verlor Senna an McLaren und die Karte Nelson Piquet hat dann auch nicht gestochen, weil Ducarouge keine Design-Wunder vollbrachte.
Lotus war nicht im Stande für die Honda-Motoren ein adäquates Chassis zu bauen. Womit man auch Honda verlor.
Lotus trennte sich von Ducarouge und holte sich Frank Dernie von Williams. Peter Warr liess bei Tickford einen 5-Ventil Zylinderkopf für den Judd-Motor entwickeln. Das Projekt verschlang Unsummen und war trotzdem ein Fehlschlag.
Warr schied aus, Piquet ging zu Benetton, Tony Rudd wurde zum Team-Direktor befördert.
Lotus hatte kein Entwicklungs-Budget mehr. Die Zusammenarbeit mit Lamborghini verlief chaotisch.
Bis Ende Mai 1990 hatte sich General Motors Bedenkzeit erbeten, ob man mit Lotus in die Formel 1 einsteigt.
Jackie Stewart erzählte, er habe 1989 das Lotus-Team kaufen wollen, um 5 Millionen Dollar. Aber letztlich hat er doch nicht zugegriffen. Aber auch GM war nicht geneigt, das Zukunfts-Konzept von Tony Rudd zu subventionieren.
Lotus siechte 1990 mit einem Budget, das rund 15 Millionen Dollar ausmachte, dahin. Das war ein Drittel des Williams-Budget. Allein die Leasing-Kosten für die Lamborghini-Motoren beliefen sich auf 3 Millionen Dollar. Damals war das viel, verglichen mit heutigen Kosten sind das freilich Peanuts.
Beim Ungarn-Grand Prix verabschiedete sich Hauptsponsor Camel von Lotus.
1990 wurde Lotus immer wieder von technischen Defekten heimgesucht.
Im Dezember 1990 übernahm der Australier Peter Collins bei Lotus das Kommando. Er war 1979 bis 1982 bereits ein Mitarbeiter von Chapman gewesen.
Der Ex-Renfahrer und Sponsorship Guru Guy Edwars stellte im Laufe der letzten Jahre zwar rund 50 Millionen Pfund auf, doch das Fass hatte keinen Boden. Als letzter Ausweg erschien Landhurst Leasing, wo der Kredit-Hai Ted Bull das Überleben zu einer ruinösen Verzinsung offerierte. Lotus lieferte sich damit ans Messer.


Lotus 22 1962

Anfang 1994 hiess es, Lotus habe 6 Millionen Pfund Schulden. Als 500.000 Pfund für Cosworth laut einem Gerichtsbeschluss innerhalb von 60 Tagen fällig wurden, war die Lage prekär.
Am Tag nach Monza meldete Lotus Konkurs an, damit das Gericht einen Verwalter einsetzt und man sich drei Monate lang die Gläubiger vom Hals halten konnte.
Tom Walkinshaw kaufte Johnny Herbert aus seinem Lotus-Vertrag heraus.
Peter Collins simulierte unüberbietbaren Optimismus: «Wir können und werden überleben.»
Im Oktober wurde das Team an David Hunt, dem Bruder von Ex-Weltmeister James Hunt verkauft, Mika Salo sollte Johnny Herbert ersetzen. Im Dezember wurde die Arbeit an einem neuen Auto eingestellt, die Belegschaft freigesetzt.
Doch David Hunt konnte Lotus nicht mehr wiederbeleben.
Im Februar 1995 kam das Ende.


Lotus 24 Climax 1962

Chapmans Sohn Clive führt heute als Managing Director die Firma Classic Team Lotus Ltd., mit Sitz in Ketterigham Hall. Im Hethel Industrial Estate gibt es eine Werkstatt. Classic Team Lotus befasst sich mit der Restauration und dem Handel von Lotus-Rennwagen. Man organisiert Lotus-Treffen und Führungen und lässt den Mythos weiterleben.

Text: Ennstal-Classic
Fotos: Autosport.at

Original Roadsterbag

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