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Noch vor wenigen Jahren gab es praktisch keine Warnblinker für Motorräder, obwohl gerade die Biker Widrigkeiten ausgesetzt sind, die der Autofahrer überhaupt nicht kennt. Steinschlag, Insektenflug, Regen oder verschmutzte und beschlagene Visiere sind die häufigsten Ursachen um Biker außerplanmäßig zu einem Nothalt zu zwingen. Lediglich zwei Motorradhersteller (BMW und Harley-Davidson) freiwillig dazu übergegangen werksseitig Warnblinkanlagen bei allen Fahrzeugen einzubauen.


BMW F 800 ST
Foto: Auto-Reporter/BMW

Bei allen anderen Marken gibt es, von wenigen kleinen Modellreihen abgesehen, diese Technik nicht, auch nicht einmal als Option. Eine Nachrüstung bietet kein einziger Hersteller. Was der freie Markt an Lösungen anbietet, entspricht nicht den Vorschriften. Es sind selbst gebastelte und oftmals abenteuerliche Behelfe, ohne Schutz vor Wasser, Vibration und Stöße, und natürlich ohne TÜV. Deutschland spielte eine Vorreiterrolle, verabschiedete am 23.03.2000 ((BGBl 1 ab Seite 310)) ein Gesetz, wonach für alle nach dem 17.07.2003 erstmals zugelassene Motorräder über eine Warnblinkanlage verfügen müssen. Die EG-Kommission legte doch sofort Veto ein, und untersagte diesen nationalen Alleingang.

Inzwischen liegen vom Europäischen Parlament Anträge vor, dass nun auch Motorräder, die überall in Europa ohnehin mit einem Fahrtrichtungsanzeiger (Blinkanlage) ausgestattet sein müssen, künftig auch über eine Warnblinkanlage verfügen müssen. Die EU wiegelte jedoch ab. Es ist zwar richtig, so Dr. Stefan Tostmann, zuständiger Leiter bei der EU-Kommission, dass alle Pkw, Lkw und Busse über einen Warnblinker, darüber hinaus auch mit Warndreiecken, in vielen Ländern zudem auch noch mit Warnwesten und in einer Reihe weiterer Vorschriften auch noch Leuchtfackeln ausgestattet sein müssen, nicht aber die Motorräder. Hier weisen die Statistiken nicht genügend Unfälle aus. Erst wenn, statistisch gesehen, genug Verkehrsteilnehmer getötet und ausreichend viele verletzt wurden, besteht vorbeugender Handlungsbedarf.

Die Brüsseler Bürokraten vertreten die Auffassung, dass es genügt, wenn statt Vorschriften speziell bei dieser Personengruppe auf die Eigenverantwortung gesetzt wird. Ein Argument, dass bei keinem einzigen motorisierten Verkehrsteilnehmer auf Verständnis stößt. Warnblinkanlagen an Motorrädern sollen nicht nur die Biker schützen, sondern den gesamten nachfolgend fließenden Verkehr, der sich einer Gefahrenzone nähert. Ausnahmslos alle Statistiken belegen, dass in der Relation Motorräder öfter verunfallen, als Autos. Der Grund ist ebenfalls eindeutig, überhöhte Geschwindigkeit. Auch sind überall in der Relation die Alkoholdelikte im Straßenverkehr bei Motorradfahrern höher als bei Pkw- oder Lkw-Fahrern. Motorradfahrer liegen laut Statistik in Punkto Verkehrsdisziplin und Verantwortungsbewusstsein weit hinter den Autofahrern. Und ausgerechnet bei der statistisch unzuverlässigsten Gruppe aller Fahrzeugführer setzen die Europäer auf Eigenverantwortung, wogegen die Zielgruppe, die sich statistisch als deutlich zuverlässiger bewiesen hat, mit Gesetzesvorschriften belegt wird.

Nicht alle, aber immer noch viel zu viele Motorradfahrer fallen durch ihren rücksichtslosen und unverantwortlichen Fahrstil auf. Ausgerechnet bei diesen Verkehrsteilnehmern setzt Brüssel auf Freiwilligkeit, Einsicht und Vernunft. Da stellt sich automatisch die Frage, warum noch nicht einmal annähernd zehn Prozent, und damit weit mehr als zehn Millionen noch nicht mit Warnblinkern nach- bzw. ausgerüstet ist?

In der Nachkriegzeit, als die derzeit gültigen Gesetze gemacht wurden, waren die Autobahnen noch nicht total mit Leitplanken eingezäunt. Diese Zeit ist ebenso vorbei, wie die, als die Kräder aufgrund des Gewichtes, und damaligen geringen Bebauung noch problemlos aus praktisch jeder Gefahrenzone weg geschoben werden konnten. Heute sind sie im Falle einer Panne ebenso ein Hindernis wie ein Automobil, jedoch wegen ihrer schlanken Silhouette schlechter und somit später zu erkennen. Hinzu kommt, dass Motorradfahrer weitaus mehr Anlässe als Autofahrer haben, unverhofft anhalten zu müssen. Eigentlich so gut wie nie haben Biker die Möglichkeit, ihre bis zu 400 kg schwere Maschinen aus einer Gefahrenzone zu bugsieren. Und genau diese schlanke Silhouette ist der Grund, warum auf der anderen Seite alle Motorbikes tagsüber mit Licht fahren müssen.

Der gesunde Menschenverstand, einzelne Regierungen, viele Interessenverbände und nicht zuletzt das Europäische Parlament fordern deshalb Abhilfe durch eine gesetzliche Regelung. Doch EU-Kommissar Tostmann sieht trotz aller Forderungen weiterhin keinen Handlungsbedarf. Und solange die Europabürokratie in dieser Situation von einer einzigen Person abhängig ist, bleiben Verkehrsteilnehmer, Politiker und sämtliche Verkehrsexperten mehr oder weniger machtlos. (ar/hve/os)

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