- „Das ist jetzt meine große Chance.“
Man hört allenthalben, Sie hätten sich verändert.
Stimmt das?
BMW Sauber F1 Team Fahrer Nick Heidfeld: Nur wegen des Bartes? Nicht
nur.
Sie seien auch offener geworden?
Heidfeld: Ich denke, ich war immer offen. Ich bin nur weniger gefragt worden.
Außerdem macht es mehr Spaß darüber zu reden, wie man mit
dem Weltmeister gekämpft hat oder aufs Podium gefahren ist, als zu erklären,
warum man wieder 17. geworden ist.
Haben Sie vor der Saison gedacht, dass Sie 2007 bisweilen mit Fernando
Alonso auf Augenhöhe kämpfen können?
Heidfeld: Nein, wir sind besser als erwartet. Ich war schon überzeugt
davon, dass wir uns in unserer zweiten Saison steigern würden. Aber im
vergangenen Jahr waren wir noch WM-Fünfter mit 50 Punkten Rückstand
auf Platz vier, da konnte man nicht erwarten, dass wir jetzt schon dritte
Kraft sind. Worauf führen Sie denn den Erfolg zurück? Heidfeld:
Die Leute waren schon immer gut, aber jetzt haben wir die Ressourcen eines
Top-Teams. Es wurden in Hinwil 150 neue Mitarbeiter eingestellt, der Windkanal
läuft rund um die Uhr, wir sind an der Rennstrecke besser ausgerüstet,
und auch die Fabrik in Hinwil wird ausgebaut. Da ist zwar momentan noch Baustelle,
aber das wird Ende des Jahres auch fertig.
Was fehlt denn noch nach ganz oben?
Heidfeld: Ich hoffe, nur Zeit. Der F1.07 ist praktisch der erste echte BMW
Sauber. In das nächstjährige Auto werden noch mehr Erfahrungen und
Ressourcen einfließen. Wir sind auf einem guten Weg. Dieses Team ist
jetzt meine große Chance, auf die ich lange gewartet habe.
Wie muss ein Rennen sein, damit Sie sich richtig darüber freuen
können? Ist ein Podiumsplatz das neue Minimum?
Heidfeld: Nein, die eigene Zufriedenheit hängt gar nicht so sehr von
der Platzierung ab, sondern vielmehr davon, ob ich gut war, also Positionen
gewonnen habe, mir keine Fehler unterlaufen sind, kurz: ob ich das Beste aus
den Möglichkeiten gemacht habe.
Ist das Rennen auf dem Nürburgring ein besonderes Rennen für Sie?
Heidfeld: Auf jeden Fall, es ist mein Heimrennen, nirgendwo kommen so viele
von meinen Fans hin wie zum Nürburgring. Das ist eine tolle Unterstützung,
außerdem verbinde ich viele schöne Erlebnisse mit der Strecke.
Der Ring liegt Mönchengladbach am nächsten, wo ich geboren und aufgewachsen
bin. Am Nürburgring habe ich als Dreijähriger Fahrrad fahren gelernt,
im Winter sind wir sogar auf der Hohen Acht Schlitten gefahren. Auf der alten
Kartbahn bin ich auch zum ersten Mal selbst mit einem Kart gefahren –
mit einem Reifen und einer Decke im Rücken, damit ich an die Pedale kam.
Und ich bin auch eine Menge Rennen auf dem Nürburgring gefahren und habe
in fast allen Serien gewonnen, in der Formel Ford, Formel 3, Formel 3000.
2005 habe ich in der Eifel mit BMW Williams meine erste Formel-1-Poleposition
geholt und bin im Rennen Zweiter geworden. Im vergangenen Jahr hatten wir
da ein Tief, und in diesem Jahr würde es mich freuen, wenn wir auch beim
Heimrennen Ferrari und McLaren ärgern könnten.
Stört es Sie, dass Sie noch keinen Vertrag für 2008 haben?
Heidfeld: Nicht besonders, ich habe schon deutlich schlechtere Zeiten durchlebt.
Ich mache mir keine Sorgen.
Wie kommen Sie denn mit Ihrem Teamkollegen Robert Kubica zurecht?
Heidfeld: Robert ist für mich ein sehr guter Teamkollege. Ich mag ihn,
er ist ehrlich, und er ist schnell. Es macht Spaß, wenn man Seite an
Seite mit einem fährt, der permanent schnell ist. Das ist gut für
das Team und auch für die eigene Motivation. Ihre Ergebnisse sind besser
als seine. Trotzdem wird über ihn manchmal mehr gejubelt und berichtet
als über Sie.
Woran liegt das?
Heidfeld: Im vergangenen Jahr lag das einfach daran, dass Neulinge in der
Formel 1 immer erstmal hochgejubelt werden. So etwas relativiert sich aber
immer. Ich denke schon, dass ich ein gutes Standing in der Formel 1 habe.
Aber Ihr zweiter Platz in Kanada ging ein bisschen unter…
Heidfeld: … was an Roberts Unfall lag, der die Leute natürlich
bewegt hat. Genau wie mich auch.
Wie haben Sie das denn erlebt?
Heidfeld: Die Zeit, bis ich wusste, dass er zumindest nicht schlimm verletzt
ist, war schon quälend. Ich sah ja auch auf jeder Runde die Unfallstelle,
außerdem habe ich auf einem der großen Screens gesehen, wie unsere
Ingenieure die Hände über den Kopf warfen, und da wusste ich, das
etwas Schlimmes passiert ist. Während der Runden hinter dem Safety-Car
hatte ich natürlich auch mehr Zeit zum Nachdenken als bei Renntempo.
Als das Rennen wieder freigegeben war, habe ich mich auf meine Aufgabe konzentriert.
Das darf gar nicht anders sein, sonst passieren noch schlimmere Dinge.
Wie kommt Ihre Freundin mit diesem Risiko klar?
Heidfeld: Patricia wäre es sicher lieber, wenn ich einen weniger gefährlichen
Beruf hätte. Aber sie weiß ganz genau, dass Rennen fahren meine
Leidenschaft ist und zu mir gehört. Sie werden bald zum zweiten Mal Vater.
Ist das aufregend?
Heidfeld: Sehr! Kinder zu haben, ist für mich das Schönste auf der
Welt. Ich wollte schon immer welche haben, aber wie toll das wirklich ist,
haben wir erst begriffen, als Juni da war. Sie ist vor kurzem zwei Jahre alt
geworden. Kann man als Rennfahrer mit all den Reisen und Terminen denn ein
guter Vater sein? Heidfeld: Ich hoffe schon. Wenn ich zuhause bin, bin ich
den ganzen Tag zu hundert Prozent da. Viele Väter mit "normalen"
Berufen sehen ihre Kinder morgens nicht, weil sie noch schlafen und abends
nicht, weil sie schon wieder schlafen. Da habe ich es viel besser.