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Die Hitzeschlacht des Großen Preises von Argentinien
Die ewige Bestzeit von Stirling Moss bei der Mille Miglia
Die Tragödie von Le Mans

Großer Bericht mit zahlreichen, historischen Fotos
Mercedes Benz im Jahre 1955 - beinahe unschlagbar
Große Siege & eine noch größere Katastrophe

Die Saison 1955 stellt für die Rennabteilung der Daimler-Benz AG eine außergewöhnliche Leistung dar. Sowohl die Fahrer-Weltmeisterschaft der Formel 1 als auch die Konstrukteurs-Weltmeisterschaft der Sportwagen gehen an die Stuttgarter Marke. Drei besonders bedeutende Rennen der Saison werden an dieser Stelle ausführlicher dargestellt.

Die Hitzeschlacht des Großen Preises von Argentinien
Die ewige Bestzeit von Stirling Moss bei der Mille Miglia
Die Tragödie von Le Mans

16. Januar 1955 – Großer Preis von Argentinien: Die Hitzeschlacht von Buenos Aires

36 Grad Celsius zeigt das Thermometer im Schatten, als die Fahrzeuge zum ersten Formel-1-Rennen der Saison 1955 starten, auf der Strecke ist die Luft mehr als 50 Grad Celsius heiß. Die Bedingungen während des Großen Preises von Argentinien am 16. Januar 1955 in Buenos Aires sind alles andere als ideal, klagt Mercedes-Rennleiter Alfred Neubauer: „Da brütet eine Hitzeglut über Buenos Aires, dass der Asphalt Blasen wirft und wir auf dem Metall unserer Silberpfeile Spiegeleier backen könnten.“ Drei Stunden und zwei Minuten dauert das Rennen – eine Tortur, die nur zwei Fahrer aushalten werden, ohne sich während der 96 Runden mit ihren Teamkameraden abzuwechseln. Beide sind Argentinier, und einer fährt für Mercedes: Juan Manuel Fangio, der Weltmeister von 1951 und 1954. Fangio gewinnt das Rennen, sein Landsmann Roberto Mières (Maserati) verzichtet ebenfalls auf einen Wechsel und kommt auf Platz fünf.


GP Argentinien, Hitze-Hölle: Beim Grand Prix von Argentinien am 16. Januar 1955 hält Stirling Moss erschöpft an.

Den Sieg Fangios nennt Rennleiter Alfred Neubauer später „eine der größten Leistungen seiner Laufbahn“. Denn nicht nur die Hitze der Sonne macht Fangio zu schaffen. Der Auspuff überträgt seine Glut auf eines der Rohre des leichten Rahmens, auf dem der Silberpfeil vom Typ W 196 R aufgebaut ist. Dieses Rohr drückt an Fangios Bein, verbrennt die Haut, die Schmerzen nehmen mit jeder Runde zu. Der Weltmeister stellt sich eine bitterkalte Schneelandschaft vor, um die Hitze auf der Piste des Motodroms zu vergessen, und fährt weiter.


Großer Preis von Buenos Aires, Formelfreies Rennen in Buenos Aires am 30. Januar 1955. Der spätere Sieger Juan Manuel Fangio (Startnummer 2) am Steuer auf Mercedes-Benz 300 SLR mit einem Motor, der auf Formel-1-Typ W 196 basiert.

Auf die Mischung aus glühendem Pampa – Wind und brennender Sonne hat sich Fangio bereits in den Wochen vor dem Rennen vorbereitet, indem er den Verzicht auf Wasser bei großer Hitze übte. „Kamel-Taktik“ nennen seine Teamkameraden diesen Kniff spöttisch. Doch in einer Ära, die keine Trinkflaschen im Cockpit kennt, erweist sich die Selbstkasteiung als gute Vorbereitung. Außerdem spielt „El Chueco“ („der Krummbeinige“, wie die argentinischen Fans den Weltmeister wegen seines Körperbaus nennen) während der europäischen Winterpause am Strand Argentiniens Fußball, um sich fit zu halten. So ist Fangio auf das extreme Wetter des Januars vorbereitet. Für die Gäste aus Deutschland, Italien und England dagegen kommt der Wechsel aus der kalten Heimat in das heiße südamerikanische Klima wie ein Schock.


GP Argentinien, Siegespose: Juan Manuel Fangio in seinem Rennwagen vom Typ Mercedes-Benz W 196 nach dem Sieg des Großen Preises von Argentinien am 16. Januar 1955.

Neubauers Resümee des Großen Preises von Argentinien liest sich wie eine Reportage: „Das Rennen wird zu einer Qual für die Fahrer und die Wagen. Sie kippen um wie die Fliegen, und die Motoren werden serienweise sauer. Gonzales macht schlapp. Farina kann nicht mehr. Castellotti hängt mit Hitzschlag über dem Steuer. Hans Herrmann klappt erschöpft zusammen. Harry Schell hat ’nen Sonnenstich. Trintignant torkelt erschöpft in die Box. Roberto Mieres japst nach Luft. Nach achtundzwanzig Runden führt noch immer Fangio.“ Und die Führung gibt der Argentinier vor einem Publikum aus rund 400 000 rennbegeisterten Zuschauern auch nicht mehr her.


Großer Preis von Buenos Aires, Formelfreies Rennen in Buenos Aires am 30. Januar 1955. Der spätere Sieger Juan Manuel Fangio (Startnummer 2) am Steuer auf Mercedes-Benz 300 SLR mit einem Motor, der auf Formel-1-Typ W 196 basiert.

Zwar ist ihm Stirling Moss auf den Fersen, jener junge Engländer, der neu in das Rennteam der Daimler-Benz AG gestoßen ist. Doch als der Brite nach einer Panne völlig erschöpft eine Pause am Rand der Strecke einlegen will, wird ihm eine Sprachbarriere zum Verhängnis: Die Helfer des argentinischen Rettungsdienstes halten Moss für ein weiteres Opfer der Hitze und transportieren den laut fluchenden Briten mit Verdacht auf einen schweren Sonnenstich in die Klinik. Erst ein englisch sprechender Arzt lässt sich überzeugen und erlaubt es, Stirling Moss mit Blaulicht und Sirene zurück auf die Rennstrecke zu bringen. Dort wird der Engländer vom Rennleiter auf rustikale Weise gegen die Witterung behandelt: Neubauer kippt einige Eimer kalten Wassers über seinem Fahrer aus und schickt ihn mit einem Wagen ins Rennen, den zuvor schon Hans Herrmann und Karl Kling gefahren haben. Moss kommt mit zwei Runden Abstand auf Fangio ins Ziel und teilt sich mit Herrmann und Kling den vierten Platz.


1. Mai 1955 – Mille Miglia: Nummer 722 siegt!


Mercedes-Benz 300 SLR Rennsportwagen '722', Siegerwagen der Mille Miglia 1955

Vor drei Jahren hat Karl Kling bereits den Sieg vor Augen gehabt, ist schließlich aber nur auf Platz zwei gekommen. Der 300 SLR soll nun schaffen, was dem 300 SL nicht gelungen ist – den ersten Platz der Tausend Meilen von Brescia zu erringen. Der W 196 S feiert am 1. Mai 1955 seine Rennpremiere beim Start in Brescia. Aus der lombardischen Stadt geht die rasende, 1597 Kilometer lange Fahrt über Padua, Ferrara und Pescara nach Rom, zurück führt die Route nach Florenz, über die Pässe Futa und Raticosa weiter nach Bologna und Piacenza bis zum Finale im Startort. Als ein Favorit gilt Fangio, der Weltmeister. Der Argentinier wäre der erste Ausländer nach Rudolf Caracciola, der die Tausend Meilen von Brescia gewinnt. Caracciola hat das Rennen 1931 auf seinem „weißen Elefanten“, dem Mercedes-Benz SSKL für sich entschieden.


Mercedes-Benz 300 SLR Rennsportwagen mit dem Stirling Moss bei der Mille Miglia 1955 siegreich durchs Ziel fuhr

Die Mille Miglia ist 1955 gerade einmal 28 Jahre alt, und doch längst das populärste und bekannteste Straßenrennen der Welt. Vier Rennsportwagen vom Typ 300 SLR schickt Alfred Neubauer in diesem Jahr auf die Strecke, wunderschöne Roadster mit Stern auf der Motorhaube ihres Blechkleids, unter dem die Technik des Formel-1-Rennwagens W 196 ihre Muskeln spielen lässt. Fangio startet allein, Stirling Moss hat einen britischen Motorjournalisten als Beifahrer an Bord, den ehemaligen Motorradgespann-Kopiloten Denis Jenkinson. Der Mann, in dessen charakteristisch rasendem Schreibstil diese Mille Miglia später zu einem Glanzstück des Motorsportjournalismus wird, ist nicht zu verwechseln: „Unter seinem Sturzhelm und der Brille flattert ein roter Bart hervor wie eine Fahne“, erinnert sich Alfred Neubauer.

Der bärtige Brite hält beim Start um 7.22 Uhr – daher die Startnummer – eine Dose mit Sichtfenster auf dem Schoß, den Schlüssel zum Sieg des Duos Moss / Jenkinson bei dieser Mille Miglia. Mehrere Meter misst die Rolle mit Aufzeichnungen über den Streckenverlauf – ein Road Book, das Moss und Jenkinson in den vergangenen Wochen bei mehreren Test- und Vorbereitungsfahrten erstellt haben. Aus den Kürzeln destilliert der Kopilot auf der Strecke 15 verschiedene Handzeichen, die Moss auf alle wichtigen Details der schwierigen Route vorbereiten. Im Training haben die Engländer noch versucht, sich über den Bordfunk zu verständigen. Aber der Kopfhörer versagte angesichts der gewaltigen Geräuschkulisse im Cockpit des 300 SLR bei höchstem Tempo und der schieren Konzentration von Moss auf die Strecke.

Zunächst setzen sich Paolo Marzotto, Eugenio Castellotti und Piero Taruffi in ihren Ferrari an die Spitze der Wertung. In Ravenna ist Marzotto ausgefallen, Castellotti liegt an der Spitze und Moss holt auf. Der Brite übernimmt in Ancona die Führung vor Taruffi und Hans Herrmann und bleibt bis Rom an der Spitze des Feldes. Neubauer nimmt die Position für ein böses Omen: „Es ist eine alte Regel, eine Art Bannfluch, der über diesem Rennen lastet: Noch nie konnte ein Fahrer, der in Rom die Spitze hielt, die Tausend Meilen gewinnen. Ich sehe schwarz für Moss.“


Stirling Moss und Denis Jenkinson bei der Mille Miglia 1955, die das Mercedes-Team mit großem Vorsprung gewann.

Doch Stirling Moss jagt weiter über den Apennin und durch die Bassa. Der Engländer glaubt sich hinter Taruffi und Fangio und macht Tempo. Im vollen Vertrauen auf Jenkinson rast Moss durch Mittelitalien und hat bei der Einfahrt nach Florenz bereits sechs Minuten Vorsprung auf Hans Herrmann und zwanzig Minuten auf Fangio. Nachdem Taruffi in Viterbo mit mechanischen Problemen ausgeschieden ist, führen drei Mercedes.

Bei einem Langstreckenrennen gegen die Uhr wie der Mille Miglia kann der Fahrer seine Position aber selbst nicht überblicken. So jagt Moss in einem teuflischen Ritt über die Pässe des Apennin und kommt 25 Minuten vor dem von Problemen mit dem Motor geplagten Fangio in der schönen Universitätsstadt Bologna an. Jetzt will der Engländer sich auch noch den Gran Premio Nuvolari sichern, einen Preis für die schnellste Zeit, die bei der Mille Miglia zwischen Cremona und Brescia erzielt wird. Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 198 km/h braust der Silberpfeil nach Brescia und wird mit einer neuen Bestzeit abgewunken. Zehn Stunden, sieben Minuten und 48 Sekunden, das entspricht einem Durchschnittstempo von 157,65 km/h. Diese Marke und wird bei den Tausend Meilen nie mehr unterboten werden, denn zwei Jahre später wird die traditionsreiche Motorsportveranstaltung nach einem schweren Unfall verboten.


Stirling Moss und Denis Jenkinson bei der Mille Miglia 1955, die das Mercedes-Team mit großem Vorsprung gewann.

Denis Jenkinson hat die Faszination des Rennens in seiner Reportage „With Moss in the Mille Miglia“ festgehalten, die atemlos das Abenteuer der Tausend Meilen erzählt. 520 Teilnehmer hat der Wettbewerb in diesem Jahr. Viele davon überholt Moss auf seiner gewaltigen Tour, die morgens um 7.22 Uhr in Brescia beginnt. Die ersten Starter sind schon am Vorabend um 21 Uhr abgefahren. Jede Minute rollt ein Wagen auf die Rampe und startet vor neugierigem Publikum, das dieses Spektakel auf keinen Fall verpassen will.


Jenkinson (links) und Moss (Mitte) nach dem Sieg der Mille Miglia 1955

Der Sieg mehr als zehn Stunden später ist mehreren Faktoren zu verdanken: Dem fahrerischen Können von Stirling Moss, der Strategie Alfred Neubauers mit einer ausgefeilten Planung der Treibstoffversorgung, dem ausgiebigen Training, dem ausgetüftelten Road Book Jenkinsons und den überragenden Mercedes-Benz 300 SLR, die bei ihrer Premiere in Italien den Anspruch auf die Spitzenposition unter den Rennsportwagen der laufenden Meisterschaft kraftvoll unterstreichen. Die italienische Landbevölkerung, so will es eine Anekdote, entdeckt aber noch einen weiteren Grund für den Sieg: In dem bärtigen Denis Jenkinson sieht ein Zuschauer angeblich einen Mönch, der „Il Signor Moss“ während des Rennens aus der Bibel vorliest und dem Mercedes-Team so himmlischen Beistand verschafft.


Mercedes-Rennleiter Alfred Neubauer (Mitte) und Oberingenieur Rudolf Uhlenhaut (ganz links) gratulieren Jenkinson (links) und Moss (rechts) nach dem Sieg der Mille Miglia 1955.

Neben dem Gesamtssieg holt Mercedes-Benz bei diesem Rennen auch die Klassentitel der GT über 1300 Kubikzentimeter Hubraum mit drei 300 SL und den Sieg in der Dieselklasse mit drei Mercedes-Benz 180 D.


Mercedes-Werbeplakat nach den Siegen bei der Mille Miglia 1955.


11. – 12. Juni 1955 – 24 Stunden von Le Mans: Das Unglück

Die 24 Stunden von Le Mans sollen 1955 den Anspruch von Mercedes-Benz auf die Weltmeisterschaft der Sportwagen deutlich machen. Nach den Siegen bei der Mille Miglia und beim Eifelrennen ist Rennleiter Alfred Neubauer sicher, dem Gewinn des Markentitels mit den schnellen 300 SLR ein gutes Stück näher zu kommen. Doch der Wettbewerb endet mit einem tragischen Unfall, als Pierre Levegh mit seinem 300 SLR nach einem Unfall ins Publikum geschleudert wird. 82 Tote, Levegh eingeschlossen, und fast 100 Verletzte sind die Bilanz. Die Silberpfeile tragen zwar keine Schuld an dem Unglück, doch in der Nacht entscheidet die Firmenleitung, die beiden in Führung liegenden Mercedes-Benz 300 SLR als Zeichen der Trauer und Reverenz gegenüber den Opfern aus dem Rennen zu nehmen.


Le Mans, 1955: Das Fahrgestell des Unglückswagens Typ 300 SLR, in dem Pierre Levegh ums Leben kam

Der Unfall, ausgelöst durch eine Karambolage zwischen Mike Hawthorn (Jaguar) und Lance Macklin (Austin Healey) kommt nicht völlig unerwartet: Vor dem Rennen warnt der Mercedes-Teamchef noch Charles Faroux, Gründer und Leiter des Langstreckenrennens, vor der veralteten Anlage des Kurses. Die schmale Boxengasse sei den hohen Geschwindigkeiten der modernen Rennsportwagen nicht mehr gewachsen, mahnt Neubauer. Doch bei dem Franzosen stößt der Stuttgarter Motorsportchef auf Unverständnis. Seit 1923, als die 24 Stunden von Le Mans zum ersten Mal ausgerichtet wurden, sei schließlich noch kein wirklich schweres Unglück geschehen.


Le Mans, 1955: Juan Manuel Fangio (Startnummer 19) auf einem Mercedes-Benz Rennsportwagen Typ 300 SLR

22 Jahre ist es in dieser Saison her, dass der Journalist Charles Faroux zusammen mit Georges Durand, Sekretär des Automobile Club de l’Ouest (ACO), das 24 Stunden-Rennen aus der Taufe gehoben hat. Ziel ist es damals, einen Ausdauertest für Serienfahrzeuge auszurichten. Die Rennsportveranstaltung soll Erfahrungen bringen für die Entwicklung von Straßenfahrzeugen. Innerhalb weniger Jahre entwickelt sich Le Mans zu einem der wichtigsten Rennen der Saison, zu dem die Hersteller statt Serienfahrzeugen von der Stange ihre stärksten Sportwagen schicken. Gefahren wird der Wettbewerb auf einem Rundkurs von 13,5 Kilometer Länge, der 1955 noch ganz aus öffentlichen Straßen besteht.


Le Mans, 1955: Auf einem Mercedes-Benz Rennsportwagen Typ 300 SLR (Startnummer 20) der später im Rennverlauf tödlich verunglückte Pierre Levegh

Besonders moniert der Stuttgarter Rennleiter neben der schmalen Boxengasse im Bereich der Tribünen die schwierigen Sichtverhältnisse für die Fahrer: „Wenn hier fünfzig Wagen dicht hintereinander mit 220 Sachen vorüberrauschen und fünfzig Rennleiter ihre Täfelchen vorzeigen, so kann bei dieser Geschwindigkeit kein Fahrer mit Sicherheit erkennen, welches Zeichen gerade ihm gelten soll.“ Mercedes-Benz kann sich aber nicht erlauben, die 24 Stunden ausfallen zu lassen. Schließlich haben die Silberpfeile die beiden ersten Wertungsläufe für die Weltmeisterschaft in Argentinien (Buenos Aires) und den Vereinigten Staaten (Sebring) nicht mitgefahren. Außerdem sieht Neubauer die 300 SLR in guter Position gegenüber der Konkurrenz von Ferrari, Jaguar, Aston Martin, Talbot, Cunningham, Gordini und Cooper Jaguar.

Die beiden Starpiloten Fangio und Moss bilden ein Team, André Simon ersetzt als Kopilot von Karl Kling den noch immer verletzten Hans Herrmann. Für den dritten Wagen hat Neubauer den Amerikaner John Cooper Fitch sowie den französischen Fahrer Pierre Levegh engagiert. Der Franzose, eigentlich Pierre Eugene Alfred Bouillon, ist der Neffe des 1904 gestorbenen Rennfahrers Alfred Velghe und tritt unter dessen Pseudonym an. Neubauer ist auf Levegh aufmerksam geworden, als dieser 1952 seinen Talbot bei den 24 Stunden von Le Mans bis kurz vor dem Ziel allein in Führung gehalten hat.


Le Mans, 1955: Startszene – Mercedes-Benz setzt mehrere Rennsportwagen Typ 300 SLR ein

Beim klassischen Le-Mans-Start sprinten die Fahrer zu ihren Rennwagen. Juan Manuel Fangio büßt aufgrund dieser eigenwilligen Starttechnik wertvolle Zeit ein, denn beim Einstieg ins Cockpit verheddert der Argentinier sich mit dem Hosenbein am Schaltknüppel. Bis zur elften Runde bricht Fangio dafür gleich zweifach den Rundenrekord, in Runde 15 beginnt das Duell Fangios um Platz eins mit John Michael „Mike“ Hawthorn (Jaguar). Eineinhalb Stunden liefern sich die beiden Fahrer einen Wettstreit um die Führung. Der Jaguar D-Type erzielt zwar eine höhere Geschwindigkeit auf den Geraden, aber der Mercedes 300 SLR ist mit der ungewöhnlichen Luftbremse und seiner exzellenten Straßenlage in den Kurven im Vorteil. Karl Kling und Pierre Levegh halten sich derweil an den Positionen fünf und sechs.

In der 35. Runde ist es Zeit zum Tanken, Hawthorn führt um wenige Meter vor Fangio, überholt vor den Tribünen den 300 SLR von Levegh und den Austin Healey von Lance Macklin. Unvermittelt bremst der Jaguar, fährt nach rechts zur Box und blockiert so den Weg von Macklin. Der Austin Healey weicht nach links aus und schiebt sich auf der schmalen Fahrbahn vor Levegh, der nicht mehr ausweichen kann. Der 300 SLR des Franzosen fährt auf das Heck des Austin Healey auf, wird wie von einer Rampe nach oben getrieben und fliegt in Richtung auf die Tribünen. Beim Aufprall reißen Motor und Vorderachse ab, fliegen in die Menge und sorgen für die schlimmste Katastrophe des Motorsports mit 82 Toten und 91 Verletzten. Fangio, dem Levegh in letzter Sekunde noch ein Warnzeichen gegeben haben soll, kann der tödlichen Karambolage gerade noch ausweichen.


Le Mans, 1955: John Fitch (links), der später im Rennverlauf tödlich verunglückte Pierre Levegh und Rennleiter Alfred Neubauer im Gespräch

Charles Faroux entscheidet sich dafür, das Rennen fortzuführen. In den ersten Stunden sieht der Franzose dazu keine Alternative. Denn die Rettungsdienste würden hoffnungslos blockiert, wenn tausende Zuschauer sich auf den Heimweg machten. Moss übernimmt den in Führung liegenden 300 SLR von Fangio und setzt das Rennen fort. Doch in der Box von Mercedes-Benz wird heftig diskutiert, ob man die Silberpfeile nicht aus dem Rennen nehmen soll. Nach Rücksprache mit der Firmenleitung in Stuttgart fällt nach Mitternacht die Entscheidung: Um 1.45 Uhr werden Moss und Simon, die auf den Plätzen eins und drei liegen, in die Box gerufen. Mercedes-Benz zieht die Wagen angesichts der zahlreichen Opfer zurück.

Die Tragödie wird den Rest der Saison überschatten: „Wir von Mercedes könnten zufrieden sein,“ fasst Alfred Neubauer später das Jahr 1955 zusammen, „wenn die Erinnerung an Le Mans nicht wäre.“


Alle Fotos: DaimlerChrsyler

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